Die arteriovenöse Malformation (AVM) ist eine angeborene zerebrale Gefässmissbildung, welche einen pathologischen Zusammenschluss von arteriellen, venösen und kapillären Gefässen beinhaltet. Die Kurzschlussverbindungen werden als Nidus, die zuführenden Blutleiter als Feeder bezeichnet.
Klinisch auffällig wird dieses Erkrankungsbild in ca. der Hälfte der Fälle durch eine Einblutung mit je nach Lokalisation resultierenden neurologischen Defiziten, wie z.B.
Häufig treten auch
Krampfanfälle (37%) und Kopfschmerzen (20%) auf. In ca. 10% der Fälle ist eine
AVM asymptomatisch und wird als sogenannter Zufallsbefund entdeckt.
Die Klassifizierung einer arteriovenöse Malformation erfolgt anhand des Spetzler- Martin-Score. Hieran orientiert sich auch die Therapieempfehlung.
Oft kommen AVMs im Rahmen der Abklärung einer akuten Gehirnblutung mittels Computertomografie (CT) und CT-Angiographie (CTA) zum Vorschein. Sie stellen sich dann als Gefässbündel in der Mitte oder am Rand der Blutung dar. AVMs kommen auch im MRI sehr gut zur Darstellung, insbesondere in der hochauflösenden Kontrastmittel-verstärkten MR-Angiogpahie (MRA).
Die präziseste Art der Darstellung ist die Katheter- Angiographie, welche in unserer Klinik in Rotation durchgeführt werden kann und dann sehr klare und dreidimensionale Bilder liefert. Dies dient zur genauen Analyse und Beurteilung der AVM-Architektur und ist die Grundlage der Planung der weiteren therapeutischen Schritte.
Das klinische Management einer AVM, d.h. die Art der Therapie oder die Frage, ob überhaupt eine Therapie erforderlich ist, hängt von vielen Faktoren ab.
Im Falle einer Blutung ist prinzipiell eine Therapie zum Verschluss bzw. zur Entfernung der AVM notwendig. Akute, grosse symptomatische Blutungen erfordern oft eine Notoperation zur Entfernung der Blutung und wenn möglich auch der gesamten AVM. Aber auch im Falle einer kleineren Blutungen sollte die AVM therapiert werden, da das Risiko einer Nachblutung bei rupturierten AVMs hoch ist.
Wird die AVM z.B. durch einen epileptischen Anfall oder als Zufallsbefund diagnostiziert, ist das weitere Vorgehen von einer Reihe von Faktoren abhängig, welche interdisziplinär beurteilt und abgewogen werden. Entscheidend ist die Lokalisation, Grösse und die individuelle Gefässarchitektur der AVM.
Bei sehr komplexen Lokalisationen kann es sinnvoll sein, keine Behandlung durchzuführen, da das Risiko des Spontanverlaufs statistisch niedriger sein kann als eine Therapie. In diesen Fällen sollte die AVM mit MR-Angiographien (z.B. jährlich) kontrolliert werden.
Im Falle einer Indikation zur AVM Behandlung stehen prinzipiell drei Optionen zur Verfügung:
Ziel einer jeden Therapie ist immer der vollständige Verschluss der AVM. Nicht zielführend ist teilweiser Verschluss, da dadurch das Blutungsrisiko nicht beseitigt wird sondern tendenziell sogar eher steigen kann.
Sollte aufgrund der AVM Architektur und Lage eine risikoarme Operation möglich sein, so ist die vollständige mikrochirurgische AVM Resektion die Therapie der Wahl. Damit ist anschliessend das Risiko einer zukünftigen spontanen Blutung eliminiert.
Die Planung einer Operation erfolgt auf der Basis ausführlicher Bildgebung. Dabei werden dreidimensionale MRI Daten (MRA, MRV, fMRI, DTI) mit Katheter-angiographien fusioniert, um somit die AVM Feeder und drainierenden Venen in Beziehung zum Nidus exakt beurteilen zu können.
Außerdem wird die Lage der AVM zu den umliegenden Funktionsarealen des Gehirns sowie Nervenbahnen bestimmt und das gesamte 3D Gebilde wird in einem Virtual Reality Simulator stereoskopisch visualisiert. Die Kombination dieser Informationen ermöglicht dann eine exakte Planung der Operation in Bezug auf den Zugangsweg und das Auffinden und Verschliessen der zuführenden Arterien.
Während der Operation steht die ICG Angiographie (mit dem Fluoreszenzstoff Indocyanin Green), die Sonographie und die Katheter-Angiographie zur Resektionskontrolle zur Verfügung. Zeitgleich erfolgt in der Regel eine elektrophysiologische Überwachung der Hirnströme durch einen anwesenden Neurologen. Durch das Zusammenspiel dieser Techniken wird das Risiko einer Komplikation deutlich minimiert und gleichzeitig wird sichergestellt, dass die AVM vollständig entfernt wird.
In vielen Fällen, vor allem bei grossen Befunden, kann es sinnvoll sein, die AVM zuerst in Teilen zu embolisieren und den Rest dann operativ zu entfernen. Manchmal ist es auch möglich, geeignete AVMs komplett zu embolisieren, wobei dabei oft mehr als eine Embolisationssitzung notwendig ist.
Die AVM Behandlung mit fokussierter Bestrahlung (Radiochirurgie) kann vor allem bei kleinen und schwierig chirurgisch zugänglichen AVMs sinnvoll sein. Hierbei wird eine Schädigung der Gefässwände erzeugt, welche im Verlauf meistens zu einem Verschluss der Gefässe führt. Mit ca 80 prozentiger Wahrscheinlichkeit kommt es nach einer Bestrahlung über den Verlauf von 1-3 Jahren zu einem Verschluss der AVM.
Dies bedeutet, dass das Spontanblutungsrisiko dann im Gegensatz zur chirurgischen Resektion nicht sofort abnimmt, sondern erst im Verlauf der nächsten Jahre.
54-jährige Patientin mit akustischen Halluzinationen wie Wasser- und Windrauschen über den Verlauf von ca. 9 Monaten. Im MRI mit MRA zeigte sich rechts in der oberen Windung des Temporallappens direkt in der primären Hörrinde (Heschelsche Querwindung) eine ca. 2 cm grosse AVM. Die zuführenden Arterien aus der rechten mittleren Hirnarterie (MCA) konnten gut dargestellt werden, die venöse Drainage verlief in erster Linie oberflächlich zum Sinus sigmoideus.
Aufgrund der gut zugänglichen Lage wurde die mikrochirurgische Resektion als therapeutische Option favorisiert. Die Operation verlief komplikationslos. Intra-operativ wurde auch eine Katheterangiographie durchgeführt, welche die vollständige Resektion bestätigte.
Vier Tage nach der Operation konnte die Patientin ohne Defizite nach Hause entlassen werden. Die akustischen Halluzination klangen postoperativ innerhalb von wenigen Tagen vollständig ab.